Stuttgart21-Schlichtung - Vorbild für Mehr Demokratie?

Stuttgart21-Schlichtung - Vorbild für Mehr Demokratie?

23.10.2010 16:40

Gestern, am Freitag, den 22. Oktober 2010 fand der erste Tag der Schlichtung um Stuttgart 21 statt.

Das Besondere: Der komplette Tag, die komplette Debatte (immerhin 7 Stunden) wurden beim SWR und auf Phoenix live übertragen, alle Bürgerinnen und Bürger hatten die Möglichkeit, der Diskussion zu folgen. Die große Ankündigung im Vorfeld war: "Alles soll auf den Tisch". Alle Informationen, alle Fakten, alle Materialien, Argumente etc.

"Alles soll auf den Tisch" - das ist auch die zentrale Forderung des Vereins "Demokratisches Bürgerforum Überwald": Transparenz und Bürgerbeteiligung.

Ich habe mir teilweise die Schlichtung im Fernsehen bzw. später in der SWR-Mediathek im Internet angeschaut und bin zunächst vom Verfahren positiv beeindruckt: Jede Seite (Befürworter und Gegner von Stuttgart 21) wird von sieben Verhandlungspersonen vertreten - außerdem konnte jede Seite zusätzlich eine Reihe von "Experten" mitbringen, die aus fachlicher Sicht die jeweiligen Aspekte darstellen und bewerten. Jede Seite konnte Vorträge zum Einstieg präsentieren, um die jeweilige Sichtweise darzustellen. Es bestand ausreichend Zeit zur Diskussion. Am Ende des ersten Handlungstages wurde festgestellt, dass die Zeit für die vorgesehenen Punkte des ersten Tages nicht ausreichend war und deshalb beim zweiten Verhandlungstag fortgesetzt werden soll.

Unabhängig vom Ergebnis - welches heute noch nicht feststehen kann - scheint dieses Verfahren unglaublich wohltuend. Es besteht ausreichend Zeit, in die sachliche Materie einzusteigen. Für unsachliche Propaganda oder Polemik besteht nicht viel Raum - jedenfalls nicht, ohne sofort Widerspruch beim Schlichter oder der anderen Seite hervorzurufen. Hintergrundmaterialien werden tatsächlich offengelegt, auch vom Schlichter eingefordert. Dabei wird auch deutlich, dass die Befürworter des Projekts eben bei vielen Materialien in Wahrheit gar nicht wollen, dass es offengelegt wird.

Wenn ich dagegen an manches parlamentarische Verfahren denke, wo eigentlich notwendige Sachdebatten in aller Schnelle durchgepeitscht werden, eine richtige Diskussion um die besten Argumente gar nicht gewünscht ist, weil die Mehrheiten machtpolitisch bereits feststehen und dann auch noch wichtige Fakten und Gutachten den Bürgerinnen und Bürgern, teilweise sogar den gewählten Abgeordneten vorenthalten werden, dann wäre ein solches Verfahren durchaus wegweisend für zukünftige politische Konflikte.

Mein erster Eindruck: So kann Demokratie tatsächlich belebt werden.

Abzuwarten bleibt, ob erstens in diesem konkreten Fall Stuttgart21 auch wirklich eine qualitative Veränderung in der Sache erzielt wird oder die Schlichtung am Ende nur ein strategischer Schachzug war, um Zeit zu gewinnen. Zweitens bleibt abzuwarten, ob ein solches Verfahren einmalig bleibt oder auch langfristig wirklich positive Auswirkungen auf unsere demokratische Kultur haben wird.

Doch das hängt vor allem von uns Bürgerinnen und Bürgern ab! Wenn wir uns einmischen, dann haben wir auch Einfluss!

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  • Erstellt von Sven Wingerter In der Kategorie Allgemein am 23.10.2010 16:40:00 Uhr

    zuletzt bearbeitet: 23.10.2010 16:40
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